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Statement zur Revolution im Iran 30.11.2022

-eng below-

Heute und schon seit Beginn der revolutionären Proteste im Iran stehen wir solidarisch mit all den Personen, die sich gegen die unterdrückerische Politik der iranischen Regierung zur Wehr setzten.

Der gewaltsame Mord der 22-jährigen kurdischen Studentin Jina(Mahsa) Amini durch die iranische "Sittenpolizei" löste eine Protestwelle aus, die sich in unfassbar kurzer Zeit im ganzen Land verbreitete und bereits seit 75 Tage anhält.
Bereits 1979 gingen tausende Frauen gegen die islamistische Zwangsverordnung auf die Straße - der Kampf um Frauenrechte ist im Iran also bei Weitem keine Neuheit. Neu ist jedoch, dass das iranische Regime es heute mit einer Zivilgesellschaft zu tun, die nicht nur auf besonders eindrückliche Weise organisiert ist, sondern es zusätzlich schafft, gemeinschaftlich eine solidarische Front und breite Bündnisse gegen das Regime zu bilden. Ob Frauen, Queere Menschen, Männer, Arbeiter*innen, Bauer*innen, Rentner*innen und Intellektuelle - aus allen gesellschaftlichen Schichten beteiligen sich die Menschen an der Revolution. Dabei klagen sie neben der tief patriarchalen Gesellschaftsordnung auch die jahrzehntelange Verfolgung politischer Oppositioneller sowie die Unterdrückung von Minderheiten und Ausbeutung von Arbeiter:innen an. Eindrücklich schaffen sie es in ihrem Kampf all diese Forderungen zu vereinen und für eine gerechtere Gesellschaft für alle einzustehen.

Doch dieser Kampf ist blutig - und Studierende sind den Repressionen besonders stark ausgesetzt. Denn Studierende, sind, wie auch schon 1979 bei der iranischen Revolution, das Rückgrat dieser emanzipatorischen Bewegung. Der Angriff auf die Sharif-Universität in Tehran in der Nacht vom 2. auf den 3.Oktober dieses Jahres ist nicht zuletzt aus historischer Sicht symbolisch und kann als neuer Tiefpunkt der skrupellosen Repression des iranischen Regimes verstanden werden.
Gegen das Recht der Studierenden auf Protest wird körperlich und juristisch zugleich vorgegangen. So droht Studierenden inzwischen ein anderthalbjähriger Ausschluss aus der Universität, wenn sie sich in einem virtuellen Netzwerk oder an einem konkreten Ort mit mehr als 100 Personen versammeln. Laut neuer Gesetzeslage dürfen Autoritätspersonen der Universität außerdem unbegründet die Handys von Studierenden einfordern, um zu prüfen, ob diese eine „islamfeindlichen Vereinigung“ angehören. Vor allem kommt es aber zur brutalen Niederschlagung von studentischen Protesten, zu Verschleppung und Gefangenschaft von Studierenden. In Verhören droht unseren Kommiliton:innen meist die Folter.

Heute denken wir insbesondere an sie: unsere Kommiliton:innen welche im Iran in Gefangenschaft sitzen oder andere Repressionen als Antwort auf ihren mutigen Widerstand erfahren. Es macht uns wütend zu sehen, wie der iranische Staat brutal gegen unsere Geschwister vorgeht. Es macht uns traurig darüber zu lesen, wie sie sanktioniert, gefoltert und eingesperrt werden. Aber es macht uns auch Mut zu sehen, wie sie trotz alledem nicht aufgeben. Wie auch Schüler*innen und Studierende in Afghanistan kämpfen sie nicht nur für bessere Bildung und die Rechte von Frauen und Mädchen, sondern auch allgemein für eine gerechtere und feministischere Welt.

Die Protestierenden im Iran, Afghanistan und Rojava sind eine Inspiration für alle von uns, die gegen Unterdrückung und Verfolgung kämpfen.
Sie haben gezeigt, dass die Welt nicht stillschweigend zuschaut, wenn der Staat Frauen wie Jina (Mahsa) Amini vor unseren Augen ermordet. Sie zeigen uns, was es heißt als Gesellschaft gegen ein System zusammenstehend. Wir werden nicht weiter zuschauen, wie die Islamische Republik unsere iranischen Geschwister ermordet. Wir fordern ein sofortiges Ende der staatlichen Repressionen.

Außerdem fordern wir von der Universität und der Politik, dass sie sich verstärkt für den Schutz von iranischen Studierenden hier in Deutschland einsetzt. Es kann nicht sein, dass Studierenden hier, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nutzen, durch den Auslandsgeheimdienst des Iran in Deutschland ungestört ausspioniert und bedroht werden können. Wir appellieren an unsere Universitäten, sich zum Schutz ihrer Studierenden der Forderung nach der Schließung des Islamischen Zentrum Hamburgs anzuschließen, das bewiesenermaßen eine Außenstelle von iranischen Regimeagenten ist, welche von dort aus in ganz Deutschland agiert.

Wir empfinden es außerdem als eine Ungerechtigkeit, dass wir in unseren Studierendenschaften in den USA, Kanada, Australien und Europa die Kinder derjenigen beherbergen, die für die Menschenrechtsverbrechen an unseren Komilliton*innen im Iran verantwortlich sind und hier auf deren Kosten unbekümmert Freiheit und Luxus genießen. Wir fordern eine kritische Auseinandersetzung mit Unterdrückungsprofiteur*innen an deutschen Universitäten, welche sich hier mit blutigem Geld Freiheit erkaufen.

Wir versuchen mit diesem Statement nicht für die revolutionären Kräfte im Iran zu sprechen, sondern ihnen durch unsere Stimme Lautstärke und Kraft zu geben. Zudem verpflichten wir uns selbst, die studentischen Mitglieder der iranischen Diaspora als Studierendenvertreter*innen mit allen unseren Mitteln zu unterstützen.

In Solidarität mit den Menschen im Iran, für Frauen, Leben und Freiheit. Jin, Jiyan, Azadî.

-eng-

Today, and since the beginning of the revolutionary protests in Iran, we stand in solidarity with all those people who stand up against the oppressive policies of the Iranian government.

The violent murder of the 22-year-old Kurdish student Jina(Mahsa) Amini by the Iranian "morality police" triggered a wave of protest that spread throughout the country in an incredibly short time and has continued for 75 days.
As early as 1979, thousands of women took to the streets against the Islamic coercive ordinance - so the struggle for women´s rights is far from new in Iran. What is new, however, is that the Iranian regime is now dealing with a civil society that is not only organised in a particularly impressive way, but also manages to collectively form a front of solidarity and broad alliances against the regime. Whether women, queer people, men, workers, farmers, pensioners or intellectuals - people from all social strata are participating in the revolution. In addition to the deeply patriarchal social order, they also denounce the decades-long persecution of political opponents, the oppression of minorities and the exploitation of workers. In their struggle they manage to unite all these demands and stand up for a fairer society for all.

But this struggle is bloody - and students are particularly exposed to repression. For students, as in the 1979 Iranian revolution, are the backbone of this emancipatory movement. The attack on Sharif University in Tehran on the night of 2 to 3 October this year is symbolic, not least from a historical point of view, and can be understood as a new low point in the Iranian regime´s vile and ruthless repression.
The student´s right to protest is being physically and legally attacked at the same time. For example, students now face a one-and-a-half-year expulsion from the university if they gather in a virtual network or in a concrete place with more than 100 people. According to the new law, university authorities are also allowed to demand students mobile phones without justification in order to check whether they belong to an "Islamophobic association". Above all, there is a brutal repression of student protests and the abduction and imprisonment of students. In interrogations, our fellow students are usually threatened with torture.

Today, we think of them in particular: our fellow students who are imprisoned in Iran or experience other repression as a response to their courageous resistance. It makes us angry to see how the Iranian state is brutally acting against our brothers and sisters. It saddens us to read about how they are sanctioned, tortured and imprisoned. But it also gives us courage to see how they do not give up despite all this. Like pupils and students in Afghanistan, they are fighting not only for better education and the rights of women and girls, but also for a more just and feminist world in general.

The protesters in Iran, Afghanistan and Rojava are an inspiration to all of us who are fighting against oppression and persecution.
They have shown that the world does not stand by silently when the state murders women like Jina (Mahsa) Amini before our eyes. They show us what it means to stand together as a society against a system. We will not continue to watch the Islamic Republic murder our Iranian brothers and sisters. We demand an immediate end to state repression.

We also demand that the university and politicians do more to protect Iranian students here in Germany. It is not acceptable that students here who use their right to freedom of expression can be spied on and threatened undisturbed by Iran´s foreign intelligence service in Germany. We appeal to our universities to join the call for the closure of the Islamic Centre of Hamburg, which has been proven to be a branch of Iranian regime agents operating from there throughout Germany, in order to protect their students.

We also feel it is an injustice that our student bodies in the USA, Canada, Australia and Europe host the children of those who are responsible for the human rights crimes against our comrades in Iran and enjoy unconcerned freedom and luxury here at their expense. We demand a critical confrontation with the profiteers of oppression at German universities, who buy their freedom with bloody money.

With this statement, we are not trying to speak for the revolutionary forces in Iran, but to give them voice volume and strength through us. Furthermore, we commit ourselves to support the student members of the Iranian diaspora as student representatives with all our means.

In solidarity with the people of Iran, for women, life and freedom. Jin, Jiyan, Azadî.

 

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  • erstellt:01.12.22, 17:48
  • geändert:01.02.23, 14:58