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Stellungnahme zu den Öffnungsforderungen für Universitäten

Vielerorts werden derzeit Öffnungsschritte für die Universitäten gefordert. Zunächst haben das Initiativen wie #nichtnuronline[1] getan, mittlerweile werden solche Forderungen vermehrt auch von offiziellen Stellen wie der Hochschulrektorenkonferenz, dem Deutschen Hochschulverband und zuletzt Bundesbildungsministerin Karliczek gestellt.[2] Wir sind mit Blick auf das derzeitige Infektionsgeschehen davon überzeugt, dass eine Öffnung der Universitäten aktuell nicht zu verantworten ist und möchten im Folgenden Stellung dazu beziehen.

Öffnungen verschärfen das Problem

Es ist evident, dass die Pandemie und die Schließung der Universitäten das Studium deutlich erschwert haben. Vielen Studierenden sind neben der universitären Infrastruktur auch finanzielle Ressourcen weggebrochen, während in beengten Wohnverhältnissen die Voraussetzung der digitalen Lehre häufig nicht gegeben sind. Unileistungen aber werden weiter von uns verlangt, umfassende finanzielle Hilfen bleiben aus und die Unileitungen schaffen es seit einem Jahr nicht, individuelle Lernräume zur Verfügung zu stellen, obwohl ein Großteil der Universität leer steht.

Die psychische Belastung in dieser Situation ist enorm und vielen fehlt es im Unialltag entsprechend an Perspektiven. Wir verstehen das ebenso als Problem, das dringend zu lösen ist. Der Wunsch nach Perspektiven sollte aber zuletzt nicht gegen den allgemeinen Gesundheitsschutz ausgespielt werden. Mitten in der dritten Welle weiter zu öffnen, während die Intensivstationen volllaufen, trägt nicht zu einer Lösung bei, sondern wird im Gegenteil das ursächliche Problem weiter verschärfen.

Die wissenschaftliche Evidenz hierfür ist überwältigend und liegt seit Monaten vor. Das Ausbleiben effektiver Maßnahmen zur Eindämmung bei gleichzeitigen Öffnungen etwa im Schulbereich haben entsprechend vieler Modellierungen die Infektionszahlen wieder ins exponentielle Wachstum geführt.[3] Trotz der nachweislich verheerenden Folgen für Leben und Gesundheit unzähliger Menschen genauso wie die medizinische Versorgung im Allgemeinen wurden die Warnungen von Wissenschaftler:innen ignoriert, der Infektionsschutz weiter aufgeweicht und mancherorts inzidenzunabhängige Öffnungen eingeführt.[4] 

Konsequente Eindämmung statt Dauerlockdown

Wir sehen mit Sorge, dass dies von den Entscheidungsträger:innen zum Anlass genommen werden könnte, Ähnliches an den Universitäten einzuleiten. Ganz abgesehen von den Studierenden, die selbst Risikofaktoren für schwere Covid19-Verläufe tragen, feuert jede Öffnung zurzeit das ohnehin dramatische Infektionsgeschehen an.[5] Auch breitangelegte Teststrategien und eine Teilimpfung der Bevölkerung ändern daran wenig, wie etwa Schulöffnungen in Österreich[6] oder die Entwicklung in den USA[7] zeigen. Sie können also kurzfristig auch keine Lösung für die Uni sein.
Es liegt unserer Auffassung nach deshalb auch im Interesse der Studierenden, sich für eine Eindämmungspolitik einzusetzen, die diesen Namen verdient und entsprechend alle Bereiche umfasst, statt kurzfristige Öffnungen zu fordern, die langfristig wieder zu Schließungen führen.

Allen voran die Betriebe und Büros, in denen ein großer Teil der täglichen Kontakte stattfindet und die bisher kein Gegenstand von Schließungen waren, müssen dafür endlich in den Blick kommen. Bei einer Infektionskrankheit, die etwa zwei Wochen übertragbar ist, müssten entsprechende Maßnahmen nur wenige Wochen andauern, um die Infektionszahlen drastisch zu senken. Das ist ein einfaches Zahlenspiel, dessen praktische Umsetzbarkeit viele Länder Ostasiens und zuletzt Portugal[8] bewiesen haben. Konkrete Vorschläge für solche Maßnahmen und die Finanzierung der nötigen Hilfen liegen ebenfalls vor,[9] im Falle der Studierenden könnten das auch die hunderten Millionen Euro sein, die bisher ungenutzt in den Bafög-Töpfen liegen[10] – so der politische Wille vorhanden wäre.

Im Gegensatz zu Öffnungen, die die Pandemiesituation einfach ausklammern, wäre in einem solchen Szenario auch eine baldige Rückkehr zur Präsenzlehre möglich, ohne eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen darzustellen. Währenddessen steht die Universität in der Pflicht, konkrete Erleichterungen und Hilfen zu beschließen, damit keine Gefährdung für das Studium entsteht. Dazu gehört auch, Studierenden bisher leerstehende Uniräume nach Bedarf bereitzustellen und eine dezentrale, pandemiegerechte Nutzung zu organisieren, die Nachteile im Bereich der Wohn- und Lernsituation ausgleichen könnte.

[1] https://praesenzlehre-berlin.org/

[2] https://www.forschung-und-lehre.de/politik/karliczek-fordert-oeffnungskonzepte-fuer-hochschulen-3606/

[3] https://www.ndr.de/nachrichten/info/82-Coronavirus-Update-Die-Lage-ist-ernst,podcastcoronavirus300.html

[4] https://www.news4teachers.de/2021/04/sachsen-haelt-kitas-und-schulen-ab-sofort-um-jeden-preis-offen-dabei-liegt-der-freistaat-in-der-statistik-der-corona-toten-schon-jetzt-an-der-traurigen-spitze/

[5] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-tuebingen-modellprojekt-palmer-100.html

[6] https://www.deutschlandfunk.de/politologe-zu-oesterreich-es-geht-nicht-um-testen-testen.694.de.html?dram:article_id=493776

[7] https://www.tagesschau.de/ausland/corona-lage-in-den-usa-101.html

[8] https://www.tagesspiegel.de/wissen/vom-hotspot-zum-vorbild-so-gelang-portugal-die-corona-kehrtwende/27049234.html

[9] https://zero-covid.org/

[10] https://www.deutschlandfunk.de/ausbildungsfoerderung-nur-zwei-drittel-der-bafoeg-mittel.680.de.html?dram:article_id=471851

 

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  • erstellt:17.04.21, 13:14
  • geändert:17.04.21, 13:37