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Besprechungspunkt im Akademischen Senat am 12.02.19 zum Thema #HUgegenStudis

Wie wir in der letzten Sitzung des Akademischen Senats am 15.01.2019 zusammenfassend berichteten, bestehen zwischen Universitätsleitung und Verfasster Studierendenschaft zahlreiche nachhaltige Konflikte. Im Folgenden werden beispielhaft einzelne Punkte kurz vorgestellt und aus unserer Perspektive eingeordnet.

1. Namensliste

Am 24. Juli 2018 fand zwischen Vertreter_innen des RefRats und dem HU-Präsidium ein Treffen statt, in dem es u.a. darum gehen sollte, wie mit der Forderung nach einer Namensliste der Referent_innen umgegangen werden könnte. Im Verlauf dieses Treffens wurde uns damit gedroht uns auf die Herausgabe dieser Namensliste zu verklagen, außerdem wurde uns ein Bescheid ausgehändigt, der uns verpflichten sollte unsere Satzung zu ändern. Am Abend des 24. Juli erfuhren wir aus der Presse, dass das Präsidium bereits Klage eingereicht habe und eine Woche später mit Zustellung der Klageschrift, dass diese bereits auf den Vortag des Gesprächs datiert ist.

Hintergrund der Auseinandersetzung um die Namensliste war eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die dort Ende Januar 2018 gestellt worden war und sowohl von der HU, als auch von uns, bis auf die Frage nach den Namen beantwortet wurde. In mehreren Gesprächen und Schriftwechseln mit der Rechtsabteilung, die sich mit der Beantwortung dieser Anfrage befasste, begründeten wir die Nichtbeantwortung dieser einen Frage ausführlich. Wiederholt erklärten wir uns bereit der HU eine Liste der Namen der Referent_innen zukommen zu lassen, dass wir aber nicht bereit wären eine solche Liste auch rechtsradikalen Parteien mit nachweislichen Verbindungen in neonazistische Kreise zur Verfügung zu stellen. Daher baten wir die Universitätleitung uns schriftlich mitzuteilen, dass die Namensliste nicht für solche Zwecke verwendet werden würde, wie lange sie vorhätte die Liste zu speichern und was damit geschehen sollte.

Das Präsidium bestand auf Nachfrage immer darauf, dass das Interesse an dieser Namensliste nichts mit der AfD-Anfrage zu tun habe und dass es eine Weisung des Staatssekretärs für Wissenschaft und Forschung gebe, die „Dienst- und Fachaufsicht“ über die Verfasste Studierendenschaft auszuüben. Uns wundert aber, dass das Interesse an den Namen der Referent_innen offenbar erst nach der Anfrage der AfD-Fraktion geweckt wurde und dass wir bis heute keine Abschrift der Weisung des Senats bekommen haben (die wohl auch nicht im Rahmen der Maßgaben der Verfassung der HU erteilt wurde). Darüber hinaus besitzt die Universitätsleitung keinerlei Dienstaufsicht über die Studierendenschaft.

Es ist richtig, dass die zwischen Verfasster Studierendenschaft und HU bestehende Verwaltungsvereinbarung die regelmäßige Übermittlung der Namen der gewählten Referent_innen an das Präsidium vorsieht. Richtig ist aber auch, dass mit dem damaligen Präsidenten der HU vereinbart wurde, dass das nicht nötig sei und vor dieser AfD-Anfrage auch nie Thema war., nichteinmal nach dem im Oktober 2017 erschienenen Artikel in der UnAuf, der dem RefRat und dem StuPa zahlreiche Intransparenzvorwürfe macht, die wir aber sehr ausführlich richtiggestellt haben. Erst lange nach Erscheinen dieses Artikels, im Anschluss an die Anfrage des Abgeordneten Trefzers, wollte die Universitätsleitung eine Namensliste haben.

Abschließend sei gesagt, dass es uns nicht darum geht die Namen der Referent_innen geheim zu halten, was in Anbetracht der öffentlichen StuPa-Sitzungen, in denen sie gewählt oder bestätigt werden, ohnehin ein unmögliches Unterfangen wäre. Uns geht es darum, dass hochschulpolitisch aktive Studierende und die, die es werden wollen, nicht fürchten müssen für ihr Engagement auf Listen Rechtsradikaler und Neonazis zu landen und uns dahingehend abzusichern. Wir sind nicht der Meinung, dass AfD oder Abgeordnetenhaus einen Anspruch auf solche Listen haben. Der Verpflichtung in der Verwaltungsvereinbarung wollen wir nach wie vor nachkommen. Zur Klarstellung: In der Verwaltungsvereinbarung geht es ausschließlich darum, dass der Universitätsleitung Ansprechpartner_innen bekannt sind. Sinn und Zweck dieser Vereinbarung war nie, die Beantwortung von Anfragen aus dem Abgeordnetenhaus zu erleichtern oder der Studierendenschaft die Möglichkeit zu rauben, eine eigene rechtliche Einschätzung der Antwortmöglichkeiten vorzunehmen.

Darüber hinaus stellt die Klage nicht nur einen Abbruch konstruktiver Gespräche mit Vertreter_innen der Studierenden dar, sondern auch einen nachhaltigen Vertrauensbruch in den Beziehungen zwischen Präsidium und RefRat und eine unnötige Eskalation des Konflikts. Das Präsidium scheint in den letzten Monaten den Unterschied zwischen Öffentlichkeit und Hochschulöffentlichkeit für sich entdeckt zu haben. Vielleicht kann das ein Ansatz für eine konstruktive Lösung sein.

2. Eingriff in die Satzungsautonomie der studentischen Selbstverwaltung


Wie oben bereits erwähnt, händigte uns die Präsidentin in dem Treffen am 24. Juli 2018 einen Bescheid aus, in dem wir, mit Verweis auf die Rechtsaufsicht, aufgefordert werden die Satzung der Verfassten Studierendenschaft dahingehend zu ändern, dass vor der Wahl der Referent_innen ihre Immatrikulation an der HU festgestellt und nach der Wahl die Namen der Referent_innen, mit Ausnahme der Referate für „queer und LGBTI“ universitätsöffentlich bekannt gemacht werden sollen. Der Bescheid endet mit der audrücklichen Drohung die Satzungsänderungen selbst vorzunehmen, sollten sie nicht bis zum 1.12.2018 umgesetzt worden sein.

Hintergrund dieses Bescheides ist wahrscheinlich das Interesse an den Namenslisten und die o.g. Weisung des Senats. Die Anliegen des Bescheides sind offensichtlich hinfällig, da in §8 Abs. 1 der Satzung bereits geregelt ist, dass Referent_innen Student_innen der HU sein müssen und die Öffentlichkeit der Sitzungen sowie die Veröffentlichung des Protokolls in Satzung und Geschäftsordnung vorgeschrieben sind.

Wir sehen in diesem Vorgehen eine klare Überschreitung der rechtsaufsichtlichen Aufgaben des Präsidiums. Dieser Bescheid stellt weder eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeit der studentischen Selbstverwalting dar, noch stellt er die Rechtswidrigkeit der Satzung fest. Dieser Bescheid setzt sich klar über die Satzungsautonomie des Studierendenparlaments hinweg und stellt damit dessen Rechtmäßigkeit und Kompentenzen grundlegend in Frage. Er lässt uns sehr am demokratischen Verständnis dieses Präsidiums zweifeln und stellt u.E. eine – soweit überhaupt möglich – weitere Eskalation des bereits bestehenden Konflikts dar. Gegen diesen darüber hinaus mangelhaft begründeten Bescheid wurde selbstverständlich Klage eingereicht.

3. Verwaltungsvereinbarung

In einer weiteren Maßnahme kündigte die Präsidentin an, die Verwaltungsvereinbarung mit der Studierendenschaft kündigen zu wollen. Dies wurde später zurückgezogen und stellte sich als missverständliche Formulierung dar. Das Bedürfnis nach einer Neuverhandlung bestand weiterhin. Im Rahmen dieser Neuverhandlung wurden, wohl seitens der Rechtsabteilung und ohne Absprache mit dem Präsidium, die Fachschaftsinitiativen in Frage gestellt, es wurde der Studierendenschaft unterstellt, „studentische Unternehmen“ zu führen, die Rechtmäßigkeit einer weiteren Förderung von Kinderladen und Studentischem Sozialberatungssystem angezweifelt, und einiges mehr. Selbst die Präambel der Verwaltungsvereinabrung, die ja größtenteils aus abgeschriebenen Sätzen aus Hochschulgesetz und Verfassung der HU besteht, wurde auf einmal kritisiert.

Glücklicherweise war hier eine Kehrtwende seitens des Präsidiums schnell erreicht. Besorgniserregend bleibt der modus operandi: statt mit den Vertreter_innen der Studierendenschaft Gespräche zu suchen und etwaige Missverständnisse (die Studierendenschaft besitzt keinerlei Unternehmen bspw.) aus dem Weg zu räumen, werden Briefe verschickt, die zentrale Organisationseinheiten der Studierendenschaft in Frage stellen und die Beziehung zwischen Studierendenschaft und Universität nachhaltig schädigen. Wenn die Auswirkung solcher Briefe dem Präsidium nicht bewusst war, dann zeigt sich darin eine gewisse Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen der Studierendenschaft, die einer kontinuierlichen und vor allem konstruktiven Zusammenarbeit im Weg steht.

4. Bescheid zur Unrechtmäßigkeit der Quotierung der Redeliste im StuPa


Seit 2007 wird die Quotierung der Redeliste in der jeweils konstituierenden Sitzung des Studierendenparlaments erfolgreich beantragt. Die aktuelle Form mit dem Vorziehen weiblicher* vor männliche* Personen existiert seit 2015. Die Rechtmäßigkeit dieser Quotierung wurde in einer Kleinen Anfrage vom Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) am 05. Juni 2018 im Berliner Abgeordnetenhaus in Frage gestellt. In einem Schreiben vom 13. August erklärte der Vizepräsident für Haushalt, Personal und Technik der HU, Dr. Ludwig Kronthaler, im Rahmen der Rechtsaufsicht den Beschluss für unwirksam, die Quotierung für rechtswidrig und die Protokollierung des Abstimmungsverhaltens im StuPa für unzulässig und unzureichend. Dieser Argumentation zu folgen, hieße einer Vielzahl der Beschlüsse des Studierendenparlaments die Gültigkeit abzusprechen. Auch gegen diesen Bescheid der HU wurde Klage erhoben.

Neben dem Bescheid zur Änderung der Satzung, stellt dieser Bescheid einen weiteren harten Eingriff in die studentische Selbstverwaltung bzw. in die Arbeit des Studierendenparlaments dar. Uns ist es unerklärlich, weshalb ein Präsidium, mit dem wir als Vertreter_innen der Studierendenschaft zusammenarbeiten sollen, einen derart eskalativen Weg geht, um uns auf vermeintliche Rechtswidrigkeiten aufmerksam zu machen, anstatt das Gespräch zu suchen, damit einen konstruktiven Weg zu gehen und eine Lösung zu finden.

Dies ist leider aber vielleicht nicht verwunderlich, da die Begründung des Bescheides darauf schließen lässt, dass das Präsidium in Fragen von Gleichstellung gar kein Problembewusstsein besitzt. Die Begründung unterstellt, unter Entbehrung jeglicher wissenschaftlicher Grundlagen, es gebe lediglich ein „gefühltes Ungleichgewicht in der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung der Redebeiträge“ (selbst nach der Einführung der Quotierung sind aber die Redeanteile von Männern die überwiegende Mehrheit). In einer Stellungnahme vor Gericht heißt es sogar: „Die [Studierendenschaft] scheint zu verkennen, dass die Annahme eines männlich dominanten Redeverhaltens die eigene – nicht belegbare – Anknüpfungshypothese ist, mit der sie versucht, den Beschluss irgendwie zu legitimieren. Es handelt sich keinesfalls um eine Annahme der [Humboldt-Universität].“ Abgesehen von der Unterstellung, bei der Quotierung gehe es um irgendetwas anderes als die Bekämpfung dieses Ungleichgewichts, stellt sich die Frage, ob das Präsidium zwischen etwaigen eigenen Privatmeinungen und den (vermutlich belegbaren?) Annahmen der Humboldt-Universität insgesamt noch unterscheiden kann. Inwiefern diese Argumentation mit dem Gleichstellungsauftrag der Universität vereinbar ist erschließt sich uns nicht.

Da das Präsidium parallel dazu so große Schwierigkeiten mit der unbürokratischen Anerkennung der Namen von trans Personen zu haben scheint, dass es eine neue Wahlordnung der Studierendenschaft mitten im Wahlprozess außer Kraft setzt, scheint es sich hier um ein größeres Problem zu handeln. Das Präsidium scheint eindeutig nicht bereit zu sein, studentische Meinungen zu diesen Fragen zuzulassen. Vielleicht wäre eine breitere universitätsweite Diskussion zu diesen Themen, zu denen die HU ja breite Expertise besitzt, hilfreich. Auch eine Stellungnahme etwa von den Frauenbeauftragten der HU wäre begrüßenswert.

5. Fazit

„Demokratie braucht Öffentlichkeit“, ließ die Humboldt-Universität ihren Pressesprecher im Rahmen der Diskussion über die Namensliste zu jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholen. Tatsächlich wurde aber in den letzten Jahren oftmals mit zweierlei Maß gemessen, was zulässige und unzulässige öffentliche Äußerungen sind. Universitäten, nicht nur die HU und nicht nur dieses Präsidium, haben häufig Schwierigkeiten damit, politische Auseinandersetzungen zuzulassen. In dem letzten Jahr wurde aber an der HU dieses Problem auf die Spitze getrieben. Während die Präsidentin in der FRIV verlautbart, „Meinungsvielfalt von links und rechts“ sei zu begrüßen, mehren sich die Vorfälle von rechtsextremen Aktivitäten an der Humboldt-Universität (Flyer im Grimm Zentrum, Störungen von Veranstaltungen durch Mitglieder der Burschenschaft Gothia, der „Identitären Bewegung“ oder der Jungen Alternative, Übergriffe auf Mitglieder des StuPas usw.). Während bei öffentlichen Äußerungen von Studierenden bzw. Studierendenvertreter_innen auf jede Kleinigkeit geschaut wird und diese auch thematisiert werden, beleidigen und diffamieren Professor_innen der HU öffentlich ihre eigenen Studis als „geisteskrank“, „kriminell“ oder „linksextrem“, was aber nicht der Rede wert zu sein scheint. Im akademischen Senat werden Plakate einzelner Listen des Studierendenparlaments diskutiert und Distanzierungen verlangt. Die Tatsache, dass das Präsidium im Namen der gesamten Universität verkündet, es gebe gar keine Unterschiede im Redeverhalten als Ergebnis männlicher und weiblicher Sozialisierung, wird schlicht nicht diskutiert.

Die Fähigkeit, kritische und politische Diskussionen zu führen, ohne in reflexhafte Verteidigung der eigenen Kolleg_innen oder des eigenen Präsidiums zu verfallen, scheint der HU abhanden gekommen zu sein. Eine zeitgemäße, exzellente Universität, wie die HU sie sein will, muss aber in der Lage sein, politisch Stellung zu beziehen, und zwar im Sinne ihrer gesetzlichen Aufgabe „an der Erhaltung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates“ mitzuwirken. Sie muss zumindest in der Lage sein politische Entwicklungen, die sie auch direkt betreffen, zu diskutieren. Die Studierendenschaft hofft und erwartet, dass eine Diskussion dieser Fragen dazu beiträgt, dass im Präsidium und im akademischen Senat ein größeres Bewusstsein für politische Entwicklungen (auch) an der HU entsteht und einige der undurchdachten Positionen, die hier dargestellt wurden, noch zu revidieren sind.
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  • erstellt:05.02.19, 15:18
  • geändert:11.02.19, 16:29