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Pressemitteilung des Referent_innenrats 30.11.2017

Das Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität weigerte sich trotz Aufforderung durch den ReferentInnen-Rat der Humboldt-Universität (ges. AStA) und andere den mutmaßlichen Vergewaltiger Franco Moretti auszuladen.


Am 29.11. um 19 Uhr sollte in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen der vom Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin organisierten Ringvorlesung „Digital Humanities“ ein Vortrag des italienischen Literaturwissenschaftlers Franco Moretti stattfinden. Seit November 2017 haben sich mehrere Doktorandinnen zu Wort gemeldet, die von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt durch Moretti berichten. 

Gestern, am 28.11.17 haben wir die Verantwortlichen dazu aufgefordert, Moretti auszuladen. Daraufhin teilte man mit, Moretti vor den Anschuldigungen eingeladen zu haben und die Veranstaltung daher trotzdem stattfinden zu lassen. In Deutschland gelte das Prinzip der Unschuldsvermutung, man wolle ihn nicht vorverurteilen. Heute erreichte die Teilnehmenden der Ringvorlesung eine Mail, in der das Abagen der Veranstaltung angekündigt wurde, allerdings nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil Moretti die Vorlesung nicht mehr halten wolle: „In the present circumstances, I don’t think that my lecture would achieve what we were hoping for. I therefore suggest we cancel it for the time being.” Diese Aussage zeichnet die Absurdität der Situation bestens nach. 


In §1 ihrer Verfassung schreibt die HU „den Schutz vor sexualisierter Diskriminierung und Gewalt“  in ihren Zielen fest. Dennoch weigerte sich die Uni trotz Aufforderung, Franco Moretti auszuladen. Dazu Juliane Ziegler aus dem RefRat: „An einer Uni, die mutmaßliche Vergewaltiger kommentarlos sprechen lässt, fühle ich mich nicht sicher!“

In den letzten Monaten haben viele Frauen unter dem Hashtag #metoo ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt öffentlich gemacht. Im Zuge dessen wurden auch viele Personen des öffentlichen Lebens beschuldigt, häufig mit der Folge, dass Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen mit ihnen abbrachen. „Dass nun die HU diesen Schritt verweigerte, und Moretti mit seiner Absage die Definitionsmacht über die Situation überließ, macht mich wütend!“, sagt Kristin Caspary, Mitglied des RefRats. Der RefRat fordert die Verantwortlichen der Ringvorlesung zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit und dem Verhalten Morettis und die Universität darüber hinaus auf, die Zusammenarbeit mit Lehrenden, die durch sexistisches, rassistisches oder antisemitisches Verhalten auffallen, zu beenden.

Der RefRat fordert außerdem eine kritische Auseinandersetzung mit den Widersprüchlichkeiten des Prinzips der Unschuldsvermutung, weil es in Fällen von sexualisierter Gewalt in der Regel die Täter schützt und die Opfer in der Beweislast sind.

 

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  • erstellt:29.11.17, 20:05
  • geändert:29.11.17, 20:07